Erich Fromm bezeichnet den menschlichen Charakter als die Wurzel der Antriebe, die den beobachtbaren Verhaltensweisen eines Menschen zugrunde liegen. Also die Wurzel seiner charakterlichen Leidenschaften.
Der Charakter wird vor allem durch Kindheitserlebnisse geformt. Charaktereigenschaften sind entweder angeborene oder anerzogene Eigenschaften. Die angeborenen (und manchmal geerbten) lassen sich nicht ändern. Werner Stangl hat hierzu eine ausführliche medizinisch-psychologische Abhandlung geschrieben, die sowohl genetisch bedingte als auch selbst entwickelte Charaktereigenschaften beleuchtet.
Persönlichkeit ist steuerbar
Laut eines Focus.de-Berichts hat jeder Mensch einen Einfluss auf die Entwicklung seines Charakters:
„Das Gehirn ist ein permanent lernendes System“, sagt Joachim Bauer, Professor für Psychoneuroimmunologie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin am Universitätsklinikum Freiburg. „Jede markante Erfahrung verändert die synaptischen Verschaltungen im Nervenzellen-Netzwerk“, sagt der Neurobiologe. Diese Verschaltungen beeinflussen dann, wie wir uns beim nächsten Mal verhalten.
Obwohl früh und nachhaltig geprägt, können Menschen ihre anerzogenen Persönlichkeitsmerkmale später verändern und beeinflussen, vorausgesetzt sie haben eine Bereitschaft dazu. Ist eine Erfahrung positiv, bestärkt es ein Verhalten. Ist eine Erfahrung negativ, wird das eigene Verhalten infrage gestellt, überdacht und – sofern mit der eigenen Überzeugung vereinbar – verändert.
Kritikfähigkeit und Selbstwertgefühl
Ein Mensch kann die Persönlichkeit eines anderen nicht ändern. Er kann jedoch dessen Einsicht oder Überzeugung beeinflussen, aber die Bereitschaft zur Veränderung obliegt einem selbst. Diese Bereitschaft wiederum hängt von der eigenen Kritikfähigkeit ab. Seien wir ehrlich, niemand verdaut so leicht negative Kritik. Selbst gleichviel Lob wiegt die Bitterkeit des Angriffs auf die eigene Persönlichkeit nicht annähernd auf.
Negative Kritik an der eigenen Person erschüttert das Selbstwertgefühl. Man fühlt sich massiv angegriffen und fühlt sich dazu aufgerufen, dieses hart erarbeitete psychische Konstrukt bis aufs letzte zu verteidigen. Aus welchem Grund sollten die Maßstäbe des anderen auch übernommen werden? Wieso hat der andere mehr recht als ich?
Kein Mensch sieht es ein, sich zu ändern, ohne darin einen persönlichen Vorteil, einen Nutzen, zu erkennen. Im Gegenteil, je intensiver (und offensichtlicher) man versucht eine Person nach den eigenen Maßstäben und Wünschen zu formen, umso stärker baut diese eine widerständige Front auf, den Trotz.
Abgrenzung durch Widerstand
Durch die Konfrontation mit seinen angeblichen Charakterschwächen wird sich der Angegriffene seines Selbstwertgefühls bewusster denn je. Deswegen ignoriert er zu aggressiv formulierte Kritik und handelt erst recht nach eigener Überzeugung, wobei Vernunft und Argumentationslogik gänzlich außen vor gelassen werden.
Am besten lässt sich dieses Phänomen bei Pubertierenden beobachten. Um ein Selbstbewusstsein zu entwickeln, müssen sich Heranwachsende von ihrer Umwelt abgrenzen können. Sie werden sich ihrer Wünsche bewusst und empfinden zunehmend das Bedürfnis unabhängige Entscheidungen zu treffen. Auf der Suche nach einer eigenen Identität und Selbständigkeit entwickeln Jugendliche zunehmend Widerstände gegenüber der Kritik ihrer Eltern. Die unaufhörliche elterliche Bevormundung wird als Hindernis zur persönlichen Selbstentfaltung empfunden, wogegen nun Widerstand angesagt ist. Der erste Schritt ist meistens die Einsicht, dass die Eltern doof sind. Diese Einsicht ist das Ergebnis von der eigenen Kritik- und Urteilsfähigkeit. Der Widerstand in Form einer “Anti-Haltung” ist der einfachste Weg, um sich abzugrenzen..
Erkenntnis ist der erste Schritt...
… zur Besserung. So alt der Spruch, so bewährt ist er auch. Eine so tief greifende charakterliche Veränderung heißt vor allem, zunächst sein Selbstbewusstsein infrage zu stellen, indem man sich eingesteht Fehler zu haben.
Der charakterlichen Veränderung liegt eine stark intrinsische Motivation zugrunde, das bedeutet, dass Umwelteinflüsse nicht berücksichtigt werden.
Voraussetzungen für eine Veränderungen des eigenen (Fehl-)Verhaltens:
- Kritikfähigkeit
- Eingeständnis der Fehlbarkeit
- generelle Bereitschaft zur Persönlichkeitsentwicklung (<= seine charakterliche Entwicklung nicht als abgeschlossen betrachten)
- normales soziales Verhalten
- charakterliche Ansprüche an sich selbst
- Bewusstsein und feste Verankerung eigener Wertvorstellungen
- vorhandene Moral
- Streben nach Selbstverwirklichung
- Wunsch nach Harmonie
- Wunsch nach Anerkennung
Sich zu ändern bedeutet...
- …ein Fehlverhalten zu identifizieren (was meistens durch Einfluss von anderen geschieht).
- …sich mit dem identifizierten Fehlverhalten kritisch auseinander zu setzen.
- …sich einzugestehen eine Schwäche zu haben.
- …aus der Einsicht lernen.
- …sich beim nächstem Mal anders verhalten.
Dieser Prozess erfolgt, bis auf den 1. Schritt, vollkommen unabhängig von der Argumentationsstärke von anderen Einflusspersonen. Logik und Vernunft spielen keine Rolle, denn der Charakter gründet auf einem emotionalen Fundament. (Emotionen sind jedoch erblich und deren Merkmale können nicht verändert werden.)
Das Selbstbewusstsein und -vertrauen sind zwar während der Schritte 1-3 massiv angegriffen, aber nach dem Abschluss von 5. wieder stabil.
Der persönliche Nutzen:
- der Aufbau eines krisenresistenten, starken Charakters, indem man die eigene Charakterschwächen auf ein Minimum reduziert
- größeres Selbstvertrauen
- Argumentationsstärke: Lernprozesse erfordern zunächst Rechtfertigung und Argumentation gegenüber sich selbst.
- innere Ausgeglichenheit
- Vorbeugung von Starrsinn
- Vermeidung von Persönlichkeits-Stagnation
- Selbstzufriedenheit (keine Persönlichkeits-Dissonanzen)
- Erfüllung der eigenen Wert- und Moralvorstellungen
- Harmonie
Stark emotionale Menschen bewältigen, bedingt durch eine verzerrte Kritikwahrnehmung, nur die Punkte 1 und 3 und finden sich anschließend in einer zum Teil sehr massiven Persönlichkeitskrise wieder, die auch das Selbstvertrauen angreifen.
Was passiert, wenn man sich anderen zuliebe verändert?
Der Versuch, sich einem anderen zuliebe verändern zu wollen, scheitert, denn die Überzeugung dazu kommt nicht von einem selbst. Sich für einen anderen verändern bedeutet, sich selbst zu verraten. Die Motivation ist hierbei nämlich nicht Nutzengewinn, sondern Druck und Verlustangst. Vorübergehend kann man sich einer anderen Person gegenüber verstellen, allerdings übernimmt früher oder später der wahre Charakter des Menschen wieder das Ruder über das Verhalten.
Sich zu ändern bedeutet deswegen nicht...
- …einfach nur akut nachzugeben.
- …sich gegen die eigene Überzeugung zu verhalten.
- …die Maßstäbe eines anderen zu übernehmen.
- …das Gefühl haben, sich manipulieren zu lassen.
- …seine Persönlichkeit aufzugeben.
Fazit
Mensch lassen sich nicht verändern, sie können es nur selbst tun, denn der Antrieb zur Veränderung liegt in einem selbst.